Erinnerung und Versöhnung im Grenzwald

Gedenkansprache beim geschichtsträchtigten Landesgrenzstein 51

Während der Ansprache von Korporationspräsident René Schanz enthüllen die Vorstandsmitglieder Bruno Schnell und Nicolas Hafner die neue Informationstafel zur eisernen Hand.

Text: Riehener Zeitung, Rolf Spriessler

Das sei für ihn wie ein Akt der Versöhnung mit der Vergangenheit, sagte Pfarrer Christoph Meister am vergangenen Samstag, als er zu den Gästen sprach, die der Einladung der Bürgerkorporation gefolgt waren, um der Vernissage zweier Schautafeln in der Eisernen Hand zu folgen. Er sprach von der Gedenktafel, die beim Landesgrenzstein 51 neu errichtet worden ist. An dieser Stelle, die damals auch als Wildwechsel einen natürlichen Durchgang bot, endete zur Zeit des Zweiten Weltkriegs der Stacheldrahtverhau, der sich ab August 1942 acht Meter breit und drei Meter hoch auf insgesamt 13 Kilometern von Weil-Friedlingen um die Gemeindegrenzen von Riehen und Bettingen herum bis nach Grenzach zog.

Weil die Schweiz sich weigerte, die Deutschen ihren Zaun über Schweizer Gebiet quer durch den Fingeransatz der Eisernen Hand zwischen den Grenzsteinen 51 und 74 ziehen zu lassen, liess man diese rund 300 Meter grosse Lücke damals offen, weil dem Naziregime der Aufwand von vier Kilometern zusätzlichem Zaun rund um die Eiserne Hand als unverhältnismässig hoch erschien. Das Gesuch hatten die Schweizer Behörden im Februar 1943 vor allem deshalb abgewiesen, weil sie befürchtet hatten, dass die Deutschen das Gebiet der Eisernen Hand dann später für sich beanspruchen würden.

Die Lücke war vielen Flüchtenden in ganz Deutschland bekannt und bestand bis im Januar 1945, als der Schweizer Zoll die Lücke schloss, um einem damals befürchteten starken Zustrom an Flüchtlingen infolge des Zusammenbruchs des Deutschen Reichs Einhalt zu gebieten. Die Kampfhandlungen in Europa endeten am 8. Mai 1945.

Rettung und Verderben

Zahlreiche jüdische Flüchtlinge, Kriegsgefangene, Überlaufende und Zwangsarbeitende versuchten, die schmale Lücke der Eisernen Hand für ihre Flucht zu nutzen. Und so wurde dieser Ort zu einem dramatischen Ort, wo es sowohl grosse Freude und Erleichterung als auch grosses Leid und riesige Enttäuschung gab. Die einen schafften die Flucht in die Schweiz, andere wurden auf der Flucht erwischt, wieder andere in der Schweiz festgenommen und – unter anderem auch an jenem Ort – wieder zurückgestellt.

«Hier haben menschliche Dramen stattgefunden, darüber müssen wir uns im Klaren sein», sagte Christoph Meister, und man merkte ihm an, wie sehr ihn die Ereignisse aus der Vergangenheit bewegten. Christoph Meister war es gewesen, dem die veraltete Informationstafel beim Maienbühlhof und die verwilderten Grenzsteine der Eisernen Hand aufgefallen waren und der angeregt hatte, im Sinne des «Niemals vergessen!» eine Gedenktafel zu errichten.

Auf der Gedenktafel ist der Gedanke wie folgt formuliert: «Am Grenzstein 51 soll diese Tafel die Erinnerung erhalten und unsere Wachsamkeit schärfen. Erinnern bedeutet auch zu trauern um all jene, welche hier beim Versuch, in die Freiheit zu gelangen, unschuldig den Tod fanden. Weiter bedeutet erinnern auch, sich mitfreuen mit denen, welche hier ihre Freiheit zurückbekommen haben und gerettet wurden.»

Christoph Meister sprach von einem Akt der Versöhnung mit der Vergangenheit, für alle damals Beteiligten, die nicht mehr lebten, aber auch für Nachfahren von Beteiligten. Und zitierte dazu aus dem Lukas-Evangelium: «Gott ist nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebendigen. Denn für ihn sind alle lebendig.»

Zuvor hatte der Riehener Gemeindepräsident Hansjörg Wilde erzählt, wie man den historisch bedeutenden Grenzstein vom Gestrüpp befreit hatte, sodass er nun wie auf einer kleinen Bühne gut sichtbar neben dem Wegrand thront, mit dem Wappen der Herren von Schönau auf der deutschen und dem Wappen des Fürstbistums Basel auf der Schweizer Seite. Die Gedenktafel steht direkt am Wegrand des Grenzwegs auf deutschem Gebiet. Und so dankte Hansjörg Wilde auch dem Inzlinger Bürgermeister Marco Muchenberger, der der Feier als Gast beiwohnte, für dieses Gastrecht. Ebenfalls zugegen waren Kantonsgeometer Paul Haffner, der für die Grenzsteine zuständig ist, und Johannes Czwalina, Leiter der Gedenkstätte für Flüchtlinge zur Zeit des 2. Weltkriegs.

Neue Übersichtstafel

Getroffen hatte man sich am vergangenen Samstag bei prächtigem Sonnenschein beim Maienbühlhof. Wenige Schritte davon entfernt, wo der Fussweg Richtung Eiserne Hand von der geteerten Strasse abgeht, ist die alte, irgendwann zu Beginn der 1970er-Jahre gesetzte Tafel durch eine neue, von der Bürgerkorporation Riehen gestiftete Übersichtstafel ersetzt worden. Sie gibt einen Überblick über die Situation, zeigt die Position einiger bedeutender Grenzsteine sowie des 1968/69 ausgegrabenen Grundrisses eines gallorömischen Ökonomiegebäudes und enthält einen kurzen Informationstext.

Jubiläumsgeschenk zum 75.

Der Ersatz dieser Übersichtstafel geht auf eine Anregung von Bürgerkorporationsmitglied René Schanz zurück und führte zur Idee, diese Tafel der Riehener Bevölkerung zum Jubiläumsgeschenk zu machen, anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Bürgerkorporation Riehen, wie dessen Präsident in einer humorvollen Rede nicht ohne Stolz verkündete. Enthüllt wurde die Tafel von den beiden Vorstandsmitgliedern Bruno Schnell und Nicolas Hafner. Das Geschenk schliesse auch an die letzte Jubiläumsgabe an, als die Bürgerkorporation zu ihrem 70-Jahr-Jubiläum 2016 auf der anderen Seite der Eisernen Hand, unweit des Grenzsteins 74, eine öffentliche Feuerstelle errichtet habe, so Schanz weiter, und just dort fand dann auch zum Abschluss der Feierlichkeiten der obligate Apéro statt.

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